Ein wenig beachtetes BGH-Urteil

Gestern gab es von uns die Short-News-Meldung (bei „Kurz & knapp“) zu einem Beitrag bei Juravendis über das BGH-Urteil I ZR 117/16 vom 05.10.2017 [1]. An dem Artikel auf dieser Webseite ist nicht viel auszusetzen, außer dass da wirklich vereinfacht und sehr knapp über das Urteil berichtet wird und dass es leider keinen Verweis auf das Urteil selbst, sowie keine Erwähnung des Aktenzeichens gibt.

Deshalb an dieser Stelle einmal ein paar Betrachtungen des Urteils und Informationen über tatsächliche und mögliche Auswirkungen auf das E-Dampfen.

Tatsächlich ist das Urteil selbst nicht wirklich brandneu, kam aber durch eine frische Veröffentlichung auf besagter Webseite in unseren Fokus (als das Urteil verkündet wurde, ging das schon einmal durch die Presse… da gab es „K&k“ aber noch nicht und es wurde auch herzlich wenig beachtet). Grundsätzlich bietet es auch keinen Grund zu Panik und Kopflosigkeit, denn die Auswirkungen sind für Verbraucher marginal. Interessanter ist es da für Händler und Hersteller (die auch zu unseren Lesern gehören) und es bietet, wenn man es sich genauer durchliest, durchaus auch ein paar Informationen, die immer noch herrschende Missverständnisse zum Werbeverbot ausräumen können.

Um was ging es überhaupt und was war passiert?

Im November 2014 zierte die Startseite des Unternehmens Pöschl Tabak GmbH & Co. KG ein Bild, auf den „gutgelaunte“ Menschen mit Tabakprodukten (Drehtabak, Pfeifentabak, Zigarette, Schnupftabak) abgebildet waren. Das gefiel den selbsternannten Wächtern der Volksgesundheit vom Aktionszentrum Forum Rauchfrei und dessen Sprecher J. Spatz (der hinlänglich bekannt sein sollte) nicht, weshalb diese das der Verbraucherzentrale Bundesverband e. V. (Vzbv) zur Kenntnis brachte und die Firma zunächst abgemahnt wurde. In den Augen der ANTZ-Vereinigung und des Verbraucherschutzvereins stelle dies verbotene Werbung und somit einen Verstoß gegen § 22 Abs. 2 Nr. 1 VTabakG (Vorläufiges Tabakgesetz [2]), wo es hieß (das VTabakG ist inzwischen außer Kraft gesetzt und durch das TabakerzG ersetzt):

(2) Es ist verboten, im Verkehr mit Tabakerzeugnissen oder in der Werbung für Tabakerzeugnisse allgemein oder im Einzelfall

1. Bezeichnungen, Angaben, Aufmachungen, Darstellungen oder sonstige Aussagen zu verwenden,
a) durch die der Eindruck erweckt wird, daß der Genuß oder die bestimmungsgemäße Verwendung von Tabakerzeugnissen gesundheitlich unbedenklich oder geeignet ist, die Funktion des Körpers, die Leistungsfähigkeit oder das Wohlbefinden günstig zu beeinflussen,
b) die ihrer Art nach besonders dazu geeignet sind, Jugendliche oder Heranwachsende zum Rauchen zu veranlassen,
c) die das Inhalieren des Tabakrauchs als nachahmenswert erscheinen lassen;

Gegen die Aufforderung zur Abgabe einer Unterlassungserklärung wehrte sich das Unternehmen, weshalb es zu einem Gerichtsverfahren kam. Durch das LG Landshut und das OLG München wurde in dieser Sache dem Kläger (Vzbv) recht gegeben und geurteilt, dass dieses Bild verbotene Werbung eines Dienstes der Informationsgesellschaft sei. Gegen dieses Urteil wurde durch die beklagte Firma Revision eingelegt. Diese wurde mit dem Urteil vom 05.10.2017 vom BGH zurückgewiesen.

Ist das Bild Werbung?

Der BGH bestätigt, dass die beanstandete Darstellung von Menschen mit Tabakprodukten den Tatbestand des § 21a Abs. 4 i. V. m. Abs. 3 Satz 1 VTabakG erfüllt. Das Bild sei Werbung für Tabakerzeugnisse, weil es in Art und Aufmachung zumindest indirekt den Kauf der von der Firma angebotenen Produkte anrege. Einen Verstoß gegen § 22 Abs. 2 Nr. 1 VTabakG wurde verneint, weil die Darstellung die dort aufgeführten Wirkungen nicht grundsätzlich erfülle. Es genüge aber die Wirkung des Kaufanreizes, das Bild als Werbung zu qualifizieren.

Mit dieser Beurteilung wird auf jeden Fall einiges geklärt, was bislang als ungewiss betrachtet wurde: Was ist grundsätzlich als Produktwerbung anzusehen?
Nun, ein solches Bild genügt schon, um als Werbung durchzugehen. Allerdings gilt das nur im Kontext einer Darstellung eines Wirtschaftsteilnehmers. Nur in der Verbindung damit, dass ein solches Bild im Zusammenhang mit dem Auftritt des Produktanbieters erscheint, macht es also letztlich zu Werbung.

Auf den Kontext kommt es an

Damit kann jeder private Webseitenbetreiber aufatmen, denn hier ist der Kontext nicht gegeben. Also Blogs, Magazine, Webseiten, Video-Kanäle etc. können auch weiterhin solche Bilder zeigen, ohne dass daraus verbotene Werbung wird. Es ist nur darauf zu achten, dass die Darstellung nicht in einem unmittelbaren Kontext zu einem Wirtschaftsteilnehmer erfolgt oder als durch diesen beauftragt wirkt.

Dienst der Informationsgesellschaft

Ein wesentlicher Punkt des Urteils ist neben der Klarstellung, ob ein solches Bild im entsprechenden Kontext denn nun Werbung sei, die Frage, ob es sich bei der Unternehmenswebseite um einen Dienst der Informationsgesellschaft handelt. Auch diese Frage wurde durch den BGH positiv beantwortet. Wer mag, kann sich die genaue Begründung selbst durchlesen. Das ist ein recht kompliziertes juristisches Knäuel, bei dem man sich durch verschiedene Gesetze und Europäische Richtlinien hangeln muss. Der BGH bestätigt mich da in meiner Einschätzung, die ich im März 2016 im Dampfer-Allerlei #3 Wer? Bung! [3] getroffen habe. Eine Unternehmenswebseite und auch eine sonstige Webseite fällt unter diese Bezeichnung. Daran ändert auch nichts daran, dass die Webseite kostenfrei angeboten wird, denn diese Spezifikation wird in den Gesetzen durch „i. d. R.“ abgeschwächt. In der Regel, bedeutet nicht „immer“ oder „nur“.

Dieser Punkt ist also auch für alle, die im Internet Seiten für E-Dampfer anbieten, interessant und bedeutend. Sollte nämlich Werbung (und sei es nur eine solche, wie hier beanstandet, diese aber im Kontext zu einem Wirtschaftsteilnehmer) auf solche einer Webpräsenz stattfinden, so muss sich diese am TabakerzG messen lassen.

Brückenschlag zum TabakerzG

Nun mag man vielleicht denken, das Urteil habe keine weitere Bedeutung mehr, weil ja das VTabakG inzwischen durch das TabakerzG abgelöst wurde. Dieser Zahn wird mit dem Urteil aber auch gleich gezogen und klargestellt, dass die ursprüngliche gesetzliche Regelung nunmehr im TabakerzG spezifiziert wurde, wobei sich jedoch inhaltlich nichts geändert habe. Damit schlägt der BGH die Brücke zur neuen Gesetzgebung und mach unmissverständlich klar, dass die Entscheidung auch auf die neuen Gesetze anwendbar ist.

Auswirkungen

Und wie wirkt sich nun diese Entscheidung auf uns Dampfer aus?

Nun, auf den normalen „Nur-Konsumenten“ überhaupt nicht, außer dass er künftig wohl keine „glücklichen Dampfer“ mehr auf gewerblichen Webseiten sehen wird. Das ist zu verkraften.

Konsumenten hingegen, die eine eigene Webpräsenz betreiben, wissen nun, dass sie aller Wahrscheinlichkeit nach durchaus einen Dienst der Informationsgesellschaft unterhalten und müssen bei Darstellungen, die in die Richtung der hier beanstandeten gehen, darauf acht geben, dass diese nicht in einem gewerblichen Kontext erscheinen.

Bedeutend ist es aber vor allem auch für Hersteller und Händler im E-Dampfbereich. Eine ansprechende Webseite ist wichtig, jedoch muss auf entsprechende Darstellungen nun wohl besser verzichtet werden. Ich habe mal einen „Spaziergang“ durch die Online-Shops gemacht (habe bei 30 aufgehört zu zählen) und dabei festgestellt, dass solche Bilder nicht bei der Masse der Webauftritte zu finden ist. Aber, das muss man festhalten… es gibt solche Webauftritte… und nicht einer oder zwei, sondern (das ist jetzt geschätzt, ich hab nicht genau gezählt) es waren so ungefähr 10 – 20% der von mir in Augenschein genommenen Seiten. Die Betreiber sollten sich also überlegen, ob sie diese visuelle Deko nicht lieber entfernen sollten, denn Anschiss lauert überall… das pfeifen die Spatzen von den Dächern… 😉


[1] http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&nr=80022&pos=0&anz=1

[2] VTabakG (aus gutem Grund hier nur als „do-not-link“)

[3] Dampfer-Allerlei #3 Wer? Bung!

 

 

[el5738826c82b69]

 

[el574bda5988d3e]

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