Potentiale der E-Zigarette für Rauchentwöhnung und Public Health – Für welche Zielgruppe?

Potentiale der E-Zigarette für Rauchentwöhnung und Public Health

Gewicht: 0.360 kg
Ausstattung: kartoniert
Autoren / Herausgeber: Heino Stöver (Hrsg.)
Seitenzahl: 258 Seiten
Erscheinungsdatum: 2019
ISBN: 978-3-947273-21-8

Bereits 2019 erschien beim Fachhochschulverlag das Buch „Potentiale der E-Zigarette für Rauchentwöhnung und Public Health“ von Heino Stöver (Hrsg.). Die Buchbeschreibung lautet: Der Band bietet einen Überblick über die Diskussion um E-­Zigaretten. Vertreter*innen unterschiedlicher Disziplinen geben einen aktuellen Einblick in epidemiologische, toxikologische, soziologische und medizinische Aspekte der E-­Zigarette.

Zum Gendersternchen sage ich jetzt nichts. Meine Meinung dazu ist aus meinen bisherigen Rezensionen zu Werken aus diesem Verlag bereits bekannt. Die gendergerechte Sprache ist vermutlich der Philosophie des Verlags und der universitären Sprachregelung geschuldet.

Das Buch liefert thematisch einen sehr guten Gesamtüberblick über den Stand zu den im Titel genannten Aspekten und enthält 17 Kapitel von renommierten Autoren und bekannten Personen der Dampfer-Szene, sowie ein Positionspapier zur Tabak-Schadensminimierung.

Bei den Beträgen findet sich viel Licht, leider aber auch nicht wenig Schatten. Beim Lesen des Buches ist mir aufgefallen, dass die „üblichen Verdächtigen“ ihre grundsätzlich neutral und offen geschriebenen Kapitel oder Beiträge recht unauffällig mit den neuen Argumenten gegen das E-Dampfen in der derzeitigen Form spicken. Dies geschieht subtil, so dass es mir beim ersten schnellen Lesen im vergangenen Dezember gar nicht so sehr aufgefallen war. Nur gut, dass ich es mir nun nochmals genauer durchgelesen habe und dies im Lichte z.B. der Äußerungen aus dem 1. Karlsruher Präventionsgespräch tun konnte. Vieles, was bei dieser Veranstaltung zur Sprache kam, findet sich in dem Buch wieder und kommt aus denselben Lagern.

Der größte Makel des Buches ist in meinen Augen, dass auch Dr. Thomas Hering Platz für seine Theorien eingeräumt wurde. Er hat ja erst kürzlich im Deutschen Ärzteblatt noch einmal klargestellt, dass er der Meinung ist, lediglich 2 bis 2,5% der Tabakraucher einen Umstieg auf mobile Liquidverdampfer empfehlen zu können. Dies seien Schwerstkranke mit nahezu völligem Verlust der Lungenfunktion. Er darf in dem Buch sogar seine unwissenschaftliche (ich bin mir bis heute noch nicht sicher, ob das Vorsatz oder schlichte wissenschaftliche Ahnungslosigkeit ist) Theorie verbreiten, dass, sollten sämtliche Tabakraucher in Deutschland auf das Dampfen umsteigen, statt derzeit ungefähr 120.000 Menschen, die am Tabakkonsum sterben, nur noch 6.000 dann an den Folgen des Dampfens das Zeitliche segnen. Er macht sich das ganz einfach und nutzt die Prozentrechnung und das in der PHE-Studie eingeräumte Restrisiko von maximal 5%, um auf die 6.000 „Dampfer-Toten“ zu kommen. Er hat also entweder besagte Studie, bzw. die Referenzstudien nicht gelesen und weiß nicht, worin dieses Restrisiko besteht, oder er nutzt diese falsche mathematische Herangehensweise bewusst, um ein tödliches Risiko durch das Dampfen zu etablieren.

Positiv stechen die Beiträge der Vertreter der Dampfer-Szene heraus, welche die genannten Aspekte aus dem Blickwinkel der Konsumenten darstellen. Besonders hervorzuheben ist hier das Kapitel „Die E-Zigarette war das Beste, was dem Raucher passieren konnte. Die Hardware einer E-Zigarette“ von Oliver Simon. Er erklärt nicht nur ausführlich und trotzdem leicht verständlich die Funktionsweise mobiler Liquidverdampfer und geht auch auf die technischen und physikalischen Grundlagen ein, sondern verfasst schon so etwas, wie eine Ein- bzw. Umsteigerberatung und krönt dies mit einem sinnvollen Abkürzungs- und Begriffsverzeichnis.

Lesenswert sind auch die Beiträge im Kapitel „Die Dampfer-Bewegung – Konsument_innen für Genussfreiheit“ von Hazel Mabe, Christian Lippmann und Norbert Schmidt, wo der Aspekt des E-Dampfens als Genussmittelkonsum in den Vordergrund gestellt wird.

Das Plädoyer, Deutschland möge sich in Bezug auf das die Gesundheitspolitik Großbritanniens zum Vorbild nehmen, im Kapitel „Internationale Erfahrungen“ von Heino Stöver ist ebenfalls sehr lesenswert.

Dietmar Jazbisek rechnet im Kapitel „Bad news are good news“ mit den Medien und deren Umgang mit vermeintlichen Schreckensmeldungen über mobile Liquidverdampfer ab.

Eine sehr gute Zusammenfassung zum Wissen über die mögliche Schädlichkeit von E-Dampfgeräten findet sich im Kapitel „E-Zigarette aus toxikologischer Sicht“ von Prof. Bernhard-Michael Mayer.

Ein Fazit zum Buch ist nicht ganz so einfach, weil es sich mir nicht erschließt, welche die Zielgruppe für das Werk ist. Für den Durchschnitts-Dampfer, der vielleicht nicht einmal in der Online-Szene zuhause ist, ist das Buch eher nicht geeignet, sind die meisten Kapitel doch eher wissenschaftslastig. Sollte trotzdem ein Einsteiger ohne Background aus Online-Medien und -Plattformen das Buch lesen, so wird er unter Umständen durch die von mir kritisierten Punkte (z.B. das Heraufbeschwören eines Schadenspotentials durch moderne, leistungsfähige Geräte; die Zweifel an der Wirksamkeit zur Raucherentwöhnung etc.) verunsichert.

Der informierte Dampfer entdeckt im Buch aber fast nichts neues, nichts, was man an anderer Stelle nicht schon gelesen hätte, mit Ausnahme der Artikel der Autoren aus der Szene, die man so nicht findet.

Blieben als weitere mögliche Zielgruppe noch mögliche politische Entscheidungsträger. Ich halte es aber für ausgesprochen riskant, diesen, wegen der bereits genannten Schwächen, dieses Buch an die Hand zu geben. Zu groß erscheint mir die Gefahr, dass sich die manipulativen Hinweise oder der Bullshit des Pneumologen aus Berlin in den Köpfen festsetzen.

Mir ist also nicht klar, wem ich das Buch empfehlen sollte. Am ehesten ist es noch für „Aktivisten“ aus der Dampfer-Szene interessant, weil es einige gute Zusammenfassungen gibt, aus denen man zitieren kann. Das Kapitel von Oliver Simon wäre für mich wesentlich besser im Buch „Ratgeber E-Zigarette“ aufgehoben und die anderen Beträge aus der Szene sind schöne Argumentationshilfen, aber weniger als schlagkräftige Belege geeignet.

In meinen Augen ist es ein Buch für engagierte E-Dampfer oder „Sammler“.