Es ist verabschiedet, es tritt am 01.01.2021 in Kraft und wird Auswirkungen haben: das zweite Gesetz zur Änderung des Tabakerzeugnisgesetzes.
Trotzdem schweigen die Lämmer.
Dass die Werbung weiter eingeschränkt wird, ist nur ein Teil der Neuregelungen. Dieser Part hat zwar in der Presse und der Öffentlichkeit die meiste Resonanz gefunden, ist aber kein wirkliches Drama.
Viel einschneidender sind die Neuregelungen zum E-Dampfen. Mit dem Änderungsgesetz sind nikotinfreie Nachfüllflüssigkeiten (ich schreibe bewusst nicht „Liquids“) den nikotinhaltigen gleichgestellt. Das TabakerzG verweist bei den Begriffsbestimmungen auf die Legaldefinitionen der Richtlinie 2014/40/EU (TPD2). Und dort findet man unter den Nummern 16 und 17 die Definitionen zur „elektronischen Zigarette“ und zum „Nachfüllbehälter“. Die Definition ist aber auf nikotinhaltige Produkte beschränkt.
Mit der Neufassung des TabakerzG werden diese Definitionen nun ergänzt:
Artikel 2 Nummer 16 und 17 gilt mit der Maßgabe, dass die dort bezeichneten Begriffe auch nicht nikotinhaltige elektronische Zigaretten und Nachfüllbehälter umfassen.
Damit gelten sämtliche Regelungen im TabakerzG nun auch für nikotinfreie Produkte. Es wurden aber auch einige Ausnahmen in den Einzelbestimmungen eingeführt. So gilt die Beschränkung des Volumens von Nachfüllbehältern auf 10 ml ausdrücklich nur für nikotinhaltige Flüssigkeiten, ebenso die Volumenbegrenzung auf 2 ml für Einweggeräte und Einwegkartuschen.
Völlig logisch (wenn auch nicht selbstverständlich, denn bislang mussten auch Akkuträger mit einem Nikotin-Warnhinweis versehen werden, obwohl sie nun wirklich keins enthalten), dass auch die „gleichmäßige Abgabe des Nikotins“ nicht für nikotinfreie Produkte vorgeschrieben ist.
Ein positiver Aspekt ist, dass der in der Klammer erwähnte Schwachsinn, auf nikotinfreien Produkten, wie unbefüllte Verdampfer oder Akkuträger einen Warnhinweis bezüglich des Nikotins anzubringen, damit nun wirklich wegfällt.
So, das waren nun die Ausnahmen, kommen wir nun zu dem, was künftig auch für nikotinfreie Nachfüllflüssigkeiten gilt: der ganze Rest!
Künftig müssen nikotinfreie Nachfüllflüssigkeiten sechs Monate vor dem Inverkehrbringen mitgeteilt (im Volksmund „angemeldet“) werden. Zu den Mitteilungspflichten gehören dann auch die ganzen Parameter, die auch für nikotinhaltige Flüssigkeiten gelten. So müssen auch enthaltene Inhaltsstoffe und ausgebrachte Emissionen(!), die Mengen in absteigender Reihenfolge ihres Gewichtsanteils, ihre toxikologischen Daten in erhitzter und nicht erhitzter Form, sowie ihre Auswirkungen auf die Gesundheit der Verbraucher und ihre suchterzeugende Wirkung mitgeteilt werden. Die Mitteilung an sich kostet „nur“ Zeit, die Mitteilung der genannten Daten aber auch Geld. Es entstehen den Herstellern und Händlern also zusätzliche Kosten und es ist klar, wer die letztlich tragen wird. 😉
Es werden nun auch Beipackzettel und ggf. Umverpackungen zur Pflicht. Das ist wieder zusätzlicher Aufwand und mit Kosten verbunden. Wer auch immer das letztlich bezahlen wird. 😉 😀
Insgesamt bedeutet das, dass auf Hersteller und Händler ein wesentlich größerer Aufwand auch für nikotinfreie Nachfüllflüssigkeiten zukommt. Auslöffeln muss letztlich der Verbraucher diese Suppe. Für einige kleinere Händler und Hersteller wird sich der Aufwand nicht lohnen und sie werden von der Bildfläche verschwinden. Und die zusätzlichen Kosten werden sich bei den Endverbraucherpreisen bemerkbar machen.
Auf den ersten Blick mag es nun so aussehen, dass das ja alles nur für nikotinfreie Fertigliquids und Shortfills (geringfügig überaromatisierte Basen in größeren Gebinden, die mit konzentrierten Nikotinshots aufgefüllt werden müssen) gelten würde, denn Longfills (Aromakonzentrate in größeren Gebinden, die mit neutraler Base und ggf. Nikotinshots aufgefüllt werden müssen) und die klassischen Aromakonzentrate sind keine Flüssigkeiten, die nach Definition der TPD2 zum Nachfüllen von „elektronischen Zigaretten“ geeignet wären… man kann sie nicht reinkippen und wegdampfen.
Hier hat der Gesetzgeber aber klammheimlich gegengesteuert. In den Bemerkungen zum Änderungsgesetz steht in den Begründungen, Teil B. (besonderer Teil) zu Artikel 1, Nummer 2:
Der Begriff des Nachfüllbehälters bezeichnet damit ein Behältnis, das Flüssigkeit enthält, die zum Nachfüllen einer elektronischen Zigarette verwendet werden kann. Maßgeblich ist somit Verwendungspotential und – zweck der im Behältnis enthaltenen Flüssigkeit, ohne dass diese unmittelbar gebrauchsfertig sein müsste.
Und genau damit sind auch Longfills und Aromakonzentrate mit in der Regulierung. Das bedeutet nun nicht, dass jeder Anbieter von Lebensmittelaromen betroffen wäre. Das hätten sie so nicht machen können. Es bedeutet aber, dass ein Aroma, sobald es explizit zur Verwendung beim E-Dampfen angeboten wird, den o.g. Verpflichtungen nachkommen muss. Das Dampfaroma vom Anbieter A muss also sechs Monate zuvor mitgeteilt, emissionsgetestet, „bebeipackzettelt“ und ggf. verpackt werden. Das Eisaroma mit gleicher Geschmacksrichtung und Zusammensetzung von Anbieter B jedoch nicht.
Eine Kuriosität, die sich daraus ergibt: Wenn man sein Propylenglycol (PG) und Glycerin (VG) beim Futtermittel- oder Kosmetikprodukthersteller bezieht, ändert sich nichts. Kauft man die Flüssigkeiten aber beim Dampfshop und es wird dort zum Selbstmischen von Liquids angeboten, so unterfallen auch diese Produkte den neuen Regeln. Das würde sogar für Wasser gelten (ich weiß nicht, ob Dampfshops heute noch destilliertes oder entmineralisiertes Wasser für das Selbstmischen anbieten… früher gab es das auf jeden Fall mal), je nachdem, ob es vom Dampfshop oder aus dem Baumarkt kommt.
Die Neuregelungen haben also auf jeden Fall deutliche Auswirkungen auf Handel und Konsumenten.
Aber die Lämmer schweigen!
Die Hersteller, bzw. deren Verbände hört man nur über das Werbeverbot jammern. Ich kann das gar nicht nachvollziehen. Werbung für E-Dampf-Produkte beschränkte sich doch ohnehin überwiegend auf Produkte von Big-T, oder habt Ihr mal Plakatwände von Eurem Lieblings-Offi umme Ecke oder von z.B. SvoëMesto gesehen? Was man da findet, sind doch eh nur Plakate von der Tabakindustrie oder von Podherstellern, die ohnehin irgendwie schon Big-T gehören.
Und Werbeplakate, die Aufklärungsarbeit leisten (und gleichzeitig für ein bestimmtes Produkt werben) sind moderne Märchen.
Vom Handel, von den Herstellern und deren Verbänden, hört man aber keinen Mucks zur Gleichstellung nikotinfreier Produkte. Und aus Konsumentenkreisen ebenfalls nicht.
Die Lämmer schweigen also nicht erst, wenn sie geschlachtet wurden, sondern schon auf dem Weg zur Schlachtbank.
Ich verstehe das nicht.
Resignation?