Aromen-Engpass! Jetzt zeigen sich die Faultiere unter den Herstellern

Wer in den vergangenen Wochen (wegen Corona zumeist online) in den Shops unterwegs war, um Nachschub für die Dampfe zu kaufen, hat sich an diese Hinweise gewöhnt: „Zur Zeit nicht lieferbar.“ – „Momentan nicht verfügbar.“ „Nicht auf Lager.“ Oder schlicht: „Ausverkauft.“

So etwas kommt schon mal vor. Aber nicht bei Hunderten von Aromen, Liquids, Long- und Shortfills, und nicht in so vielenLäden. Was ist hier los?

Wer genau hinschaut, bemerkt Zusammenhänge: Aroma-Konzentrate sind deutlich öfter betroffen als Longfills. Produkte einiger Herstelle gibt es momentan so gut wie gar nicht mehr, während einige andere kaum Probleme haben.
Jetzt zeigen sich die Faultiere unter den Herstellern. Faultiere – das sind jene knuffigen Gesellen, die am liebsten abhängen und sich nur ein paar Meter pro Minute tastend voranbewegen. Sie sind nämlich kurzsichtig und hören schlecht.

Während die meisten Läden ihre Kunden mit „Ausverkauft“ abspeisen, liefert Dampfdorado wenigstens eine Erklärung (wahrscheinlich hat man die Nase voll, Dutzende von Anfragen beantworten zu müssen). Hier ist zu lesen:

Warum sind aktuell so viele Aromen und Liquids ausverkauft?
Ab dem 1.4.2021 benötigen auch nikotinfreie Liquids und Aromen eine Gebrauchsinformation. Diese muss dem Produkt als Beipackzettel beiliegen, oder z.B. auf einem Wickeletikett angebracht sein. Leider sind nicht alle Hersteller rechtzeitig mit der Umstellung fertig geworden, so dass Produkte dieser Hersteller vorübergehend nicht erhältlich sind…“

Das klingt, als sei über Nacht ein neues Gesetz vom Himmel gefallen, und PLÖTZLICH brauchen die Flaschen Beipackzettel oder Aufkleber – die es leider noch nicht gibt.

Richtig: Sie brauchen neue Beipackzettel.
Richtig: Die gibt es oftmals nicht, und das ist das Problem.
Aber: So plötzlich kam diese Forderung nicht. Die Hersteller hätten längst reagieren können. Wenn sie die Nachricht gehört, den Weitblick besessen und sich dann bewegt hätte. Aber: siehe oben.

Bereits am 2. Juli 2020 beschloss der Bundestag das Zweite Gesetz zur Änderung des Tabakerzeugnisgesetzes (2. ÄndG TabakerzG ). Da ging es aber nicht nur um das breit diskutierte Werbeverbot. Es gibt jetzt auch eine veränderte Definition der Begriffe „Elektronische Zigarette“ und „Nachfüllbehälter“. Im Oktober erschien die Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt. Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit erläuterte, noch einmal klipp und klar, dass

„… diese Definitionen auch nicht nikotinhaltige Produkte umfassen. Dies führt rechtlich zu einer grundsätzlichen Gleichstellung der nikotinfreien Produkte mit den nikotinhaltigen.“

Im Klartext: Ob Base, Aroma, Liquid, Short- oder Longfill – egal, ob Nikotin drin ist oder nicht – alles unterliegt derselben Kennzeichnungspflicht, wenn es zum Dampfen bestimmt ist. Alles unterliegt jetzt den Mitteilungspflichten gemäß § 24 Abs. 1 der schon länger geltenden Tabakerzeugnisverordnung.

Das Gesetz trat am 1. Januar in Kraft. Bis zum 1. April gab es eine Übergangsfrist, in der Restbestände abverkauft werden konnten. Was danach verkauft wurde und wird, muss den neuen Bestimmungen entsprechen, neue Hinweise enthalten und gemäß der Mitteilungspflicht im TabakerzG neu angemeldet sein, mit Vorlauf von einem halben Jahr.

Man kann sich zurecht aufregen über die juristisch-bürokratischen Irrsinn. Oder darüber, dass für Dampf-Aromen nun ein ellenlanger Zettel beigepackt sein muss, während derselbe Stoff als Lebensmittel-Aroma mit Drei-Zeilen-Etikett im Supermarkt liegt. Aber genau deshalb hätte sich vorbereiten können: Schon im Mai 2020 war das neue Gesetz in Vorbereitung, der Trend war erkennbar.

Versaut haben es Hersteller, aber nicht nur die: Auch Importeure und Handel wären in der Verantwortung gewesen, auf eine Erfüllung des Gesetzes zu drängen – insbesondere bei Herstellern aus dem Ausland, die möglicherweise Hilfestellung gebraucht hätten. Eine Aufgabe, die den Händlerverbänden mit ihren nicht zimperlichen Mitgliedsbeiträgen gut gestanden hätte.

Das Problem ist auch rein praktischer Natur: Bei Longfills mit Karton ist es einfach, einen Zettel einzustecken. Schwieriger ist es bei den kleinen Flaschen: Werden sie ohne Umverpackung verkauft, sind Wickel-Etiketten nötig, also solche, die schichtweise abgelöst werden können (für deren Schrift es oft eine Lesehilfe braucht).

Wie lange müssen wir noch warten, bis die Regale überall wieder voll sind? „Keine Ahnung, wahrscheinlich warten die Hersteller jetzt erst mal den Lockdown ab“, so ein Magdeburger Verkäufer, der nicht genannt werden möchte. „Über die Geschäfte vor Ort wird ja momentan eh so gut wie nichts mehr verkauft.“ Kann sich also nur noch um Wochen handeln. Faultiere schlafen oder dösen ja auch etwa 20 Stunden am Tag.

Während der politischer Schwachmatismusdie Faultiere gerade kalt erwischt hat, befördert er bei anderen längst die Kreativität. Denn: Zwar sind nicht alle Lebensmittel-Aromen dampfbar, aber alle zugelassenen Dampf-Aromen haben Lebensmittel-Qualität. Dies eröffnet Herstellern und Händlern „spezielle“ Möglichkeiten. Wer etwa bei „Elli’s Aromen“ unter „E-Zigaretten Aromen“ auf den Tab „Speziell für E-Liquids“ klickt, bekommt nicht etwa speziell ausgewiesene Dampfaromen angezeigt. Vielmehr ist fast jedes Produkt als „Lebensmittelaroma“ gekennzeichnet. Allein bei den Tabak-Aromen fand man den Lebensmittel-Hinweis wohl wenig plausibel und ließ ihn weg.

Dagegen gibt sich ein österreichischer Aromen-Shop völlig schmerzfrei. Dort wird etwa das schwere Latakia-Tabak-Aroma der Marke „V by Blacknote“ als Longfill (10 auf 100 ml) angeboten. Ein klassisches Dampf-Produkt, nichts anderes.

Der Anbieter hat andere Ideen. Zitat: „Das Aroma ist für jede Art von Lebensmitteln oder Getränken geeignet. Verwendung: Diät Shakes, Smoothies und Protein-Drinks, Cocktails, Martinis, Margaritas und Mojitos, Frühstück, Haferflocken und Puddings, Kaffee, Espressos, Lattes und Tee‘s, Italienisch Sodas und aromatisiertes Wasser, Desserts, Backen und Frosting, u.s.w.“ Selbstverständlich auch „glutenfrei“ und „perfekt für Diabetiker“.

Na, was denn? Aromen sind ja wohl immer Geschmackssache.