„2 Cent Steuer“ pro Milligramm Liquid-Nikotin ab Juli kommenden Jahres, „4 Cent Steuer“ ab 2023 – so der Referentenentwurf aus dem Hause von Finanzminister Olaf Scholz (SPD). Damit würden die Preise fürs Dampfen in die Höhe schießen. Doch wie denken die Abgeordneten, die dem Gesetzentwurf mehrheitlich zustimmen müssten? Die Nebelkrähe sprach mit dem Bundestagsabgeordneten Dr. Gero Hocker (45), Wirtschaftswissenschaftler und Sprecher für Ernährung und Landwirtschaft der FDP-Fraktion.
Herr Dr. Hocker, in der Dampfer-Szene herrscht große Aufregung aufgrund des Referentenentwurfs aus dem Bundesfinanzministerium. Bekommen Sie in Berlin etwas davon mit?
Dr. Gero Hocker: Der Vorschlag von Olaf Scholz ist ein Schlag ins Gesicht aller Dampfer und würde die junge Branche als auch die von der konventionellen Zigarette umgestiegenen Nutzer vor erhebliche Probleme stellen. Deshalb gehen Unternehmen, Verbände als auch einzelne Dampfer selbst zu Recht auf die Barrikaden, und das kommt natürlich auch bei mir in Berlin an.
Kennen Sie Menschen in Ihrem Umfeld, die dampfen?
Dr. Gero Hocker: In meinem Umfeld gibt es Nichtraucher, konventionelle Raucher als auch Dampfer. Der Trend weg von der Zigarette hat auch vor meinem Freundeskreis nicht Halt gemacht – doch nicht alle konnten oder wollten auf die gewohnte Nikotinaufnahme verzichten. Deshalb freut es mich, dass innovative Unternehmer auf das veränderte Bewusstsein der Verbraucher reagiert und neue Produkte entwickelt haben.
Haben Sie mit schon mal mit Dampfern gesprochen und gefragt, warum sie dampfen?
Dr. Gero Hocker: Sicher, da sind die angeführten Gründe sehr unterschiedlich. Dem einen geht es um die Reduzierung der gesundheitlichen Auswirkungen durch das konventionelle Rauchen, dem anderen um das Einsparpotential, die Individualisierungsmöglichkeiten oder den Konsum am Arbeitsplatz.
Sind Ihnen oder dem Bundestag Fälle bekannt, bei dem Menschen, die dampfen, schwer erkrankt oder gar gestorben sind?
Dr. Gero Hocker: Eben diese Frage hat die FDP-Bundestagsfraktion auch an die Bundesregierung gestellt (Drucksache 19/15371). Laut der Antwort liegen dem Bundesinstitut für Risikobewertung 21 Mitteilungen zu Vergiftungen mit E-Zigaretten bzw. E-Liquids, darunter allerdings nur 7 Fälle, in denen die Aufnahme inhalativ erfolgt ist. Zwei der 21 Fälle hatten übrigens schwere gesundheitliche Folgen. Beide sind aber nicht bei der bestimmungsgemäßen Anwendung erfolgt, sondern bei oraler Aufnahme in suizidaler Absicht.
Das Nikotin aus Tabakblättern, das in E-Liquids verwendet wird, hat mit dem Rauchen so viel gemeinsam, wie der Zucker aus Rüben mit den Gummibärchen. Niemand wird deshalb Süßwaren als Gemüseprodukt bezeichnen. Warum also wird Rauchen mit Dampfen gleichgesetzt?
Dr. Gero Hocker: Viele Parteien sehen nicht den mündigen Verbraucher, sondern hilflose Bürger, die immer wieder in die richtige Richtung geschubst werden müssen. Lebensrisiken, die sich nie vollständig ausschließen lassen, müssen auf null gesetzt werden – eine Reduktion reicht nicht aus! Das Dampfen fällt somit, obwohl es viel weniger gesundheitsschädlich ist als das Rauchen, in einen politisch ungewollten Bereich, der dringend bekämpft werden muss. Die Liberalen sehen das naturgemäß anders, und auch ich persönlich möchte auf meinen Wein oder die Fahrt auf dem Motorrad nicht verzichten.
Warum wird immer wieder und immer noch behauptet, dass Dampfen der Einstieg zum Zigarettenkonsum ist? Es gibt doch wissenschaftliche Arbeiten, die das Gegenteil belegen!
Dr. Gero Hocker: In ganz unterschiedlichen Bereichen haben sich politische Parteien von Wissenschaftlichkeit entfernt und hängen vielmehr einer Ideologie an, dem Bürger ein Leben nach ihrer Fasson aufdrücken zu wollen. So begegnen mir als agrarpolitischer Sprecher immer wieder Fälle, bei denen sich politische Beschlüsse völlig von der Faktenlage entkoppelt haben, beispielsweise beim Thema Düngeverordnung oder Pflanzenschutzmittel. Der Rückgang der Wissenschaftlichkeit ist also kein Problem, das exklusiv Ihren Bereich betrifft, sondern ein gesamtgesellschaftliches. Abhilfe kann nur der Wähler selbst schaffen, indem er solch ein ideologiegetriebenes Vorgehen auf dem Wahlzettel nicht honoriert.
Das Finanzministerium überlegt, Nikotin von Liquids zu besteuern und berechnet dabei allein im ersten Halbjahr 135 Mio. Zusatzeinnahmen. Wie kommt diese Rechnung zustande? Welche Folgen würde eine Verabschiedung des Modernisierungsgesetzes zum Tabaksteuergesetz nach Ansicht der FDP haben?
Dr. Gero Hocker: Das Bundesfinanzministerium überschätzt den Anteil nikotinhaltiger Produkte am Gesamtmarkt und geht von einem Wachstum aus, das, insbesondere nach einer Steuererhöhung, meilenweit von der Realität entfernt liegen wird. Die kommenden Werbebeschränkungen und die Ausweichbewegungen auf den Schwarzmarkt werden ebenfalls außer Acht gelassen. Ich prognostiziere, dass hier nicht nur der Gesundheit ein Bärendienst erwiesen wird, sondern sich Olaf Scholz auch ein fiskalpolitisches Eigentor schießt.
Nach dem Entwurf wird sich der Preis der Liquids in etwa verfünffachen, reine Nikotin-Base kostet dann das 25-fache. Wann gab es zuletzt einen solchen Preissprung aufgrund der Besteuerung?
Dr. Gero Hocker: Lassen Sie mich es noch einmal ganz klar sagen: Dieser Preissprung wäre nicht nur unbegründet, sondern auch in allen Bereichen kontraproduktiv. Besser wäre es, vorab von den Fehlschlägen in Italien und Portugal zu lernen, die dem Verbraucher mit einer drastischen Steuererhöhung das Produkt vermiest haben, und jetzt die Notbremse zu ziehen!
Das Team der Nebelkrähe bedankt sich bei Dr. Gero Hocker für seine Zeit, unsere Fragen zu beantworten. Wir können nur hoffen, dass sich die Politiker in Berlin genauer informieren bevor sie Dinge umsetzen, die absolut unverständlich und unsinnig sind.